Bartgeierschutz mit Habitatmodell

Welche Habitate eignen sich besonders gut für Bartgeier? Diese Frage hat Sergio Vignali im Rahmen eines Forschungsprojekts an der Universität Bern (Abt. Conservation Biology>>) untersucht. Neben einem grundlegenden Interesse an dieser Frage steht auch ein konkretes Schutzanliegen hinter dieser Arbeit, die in naher Zusammenarbeit mit der Stiftung Pro Bartgeier entstanden ist.

Windenergieanlagen: Ein potenzielles Risiko

Die Nutzung von Windenergie gewinnt weiterhin an Bedeutung. Immer häufiger werden auch im Alpenraum Standorte für Windenergieanlagen abgeklärt. 

Der Bartgeier ist ein Bewohner der Alpen. Er ist ein ausdauernder Segler und nutzt für seine Streifzüge im Gebirge häufig die Hangaufwinde. Da er meist in relativ geringer Höhe über dem Relief fliegt, besteht ein erhebliches Risiko, dass er mit Rotorblättern von Windenergieanlagen kollidiert, wenn diese an ungeeigneten Orten geplant werden. 

Die geringe Reproduktionsrate dieser Art bedingt eine besonders hohe Überlebensrate. Kommen neue Mortalitätsrisiken hinzu, kann dies  schnell dazu führen, dass sich die aktuell positive Bestandsentwicklung wieder verschlechtert.

Künftige Verbreitung bereits heute abschätzen

Damit negative Auswirkungen von Infrastrukturprojekte auf empfindliche und gefährdete Arten reduziert werden können, werden in der Regel Bauverbote innerhalb von Pufferzonen rund im die Nistplätze erlassen. 

Dieser Ansatz vernachlässigt die Verbreitungsdynamik der Arten und bietet daher keinen ausreichenden Schutz. Denn Arten, die auf natürliche Weise zurückkehren oder in Programmen aktiv wieder angesiedelt werden, stehen am Anfang ihrer Ausbreitung und sind auf möglichst ungestörte Lebensräume angewiesen. 

40% des Alpenraums für Bartgeier geeignet

Aktuell leben in der Schweiz 22 Brutpaare. Noch gibt es im Alpenraum viele Regionen, wo sich die Bartgeier etablieren können. Daher muss bei Standortabklärungen zu Windenergieanlagen im Vorfeld abgeschätzt werden, in welchem Ausmass diese Gebiete künftig durch Bartgeier genutzt werden. 

Zu diesem Zweck wurden prädiktive Verbreitungsmodelle für den Bartgeier in der Schweiz entwickelt. Sie basieren auf einer Kombination von Zufallsbeobachtungen und GPS-Positionen von mit Sendern markierten Individuen. Die Modelle zeigen, dass 40 Prozent des Alpenraums für Bartgeier als Lebensraum geeignet sind. 

Steinböcke & Gemsen, am liebsten wo die Wintersonne scheint

Aus den Lebensraummodellen geht hervor, dass im Winter und im Sommer andere Umweltfaktoren besonders bedeutsam sind, und Alt- und Jungtiere auch nicht identische Ansprüche an den Lebensraum haben.

Generell scheinen gute Vorkommen von Steinböcken und Gemsen wichtig für die Präsenz von Bartgeiern zu sein. Als Untergrund wird Kalk und Granit gegenüber Gneiss geschätzt. Altvögel gefällt es besonders an Orten, wo im Winter viel Sonne scheint und mit wenig Regen zu rechnen ist.

Karten für erste Einschätzung potenzieller Konflike

Dank einem besseren Verständniss für die Habitatansprüche von Bartgeiern, können nun Karten erstellt werden, die Gebiete mit besonders grossem Konfliktpotential aufzeigen und für Windkraftanlagen nicht genutzt werden sollten. Weitergehende Standortanalysen sind dann nur noch in Gebieten notwendig, wo nicht bereits zum vornherein erhebliche Konflikte zu erwarten sind.

Literatur

Vignali S, Loercher F, Hegglin D, Arlettaz R, Braunisch V. 2021. Modelling the habitat selection of the bearded vulture to predict areas of potential conflict with wind energy development in the Swiss Alps. Global Ecology and Conservation 25:e01405. 
https://doi.org/10.1016/j.gecco.2020.e01405 
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* Um ein breiteres Bild zu erhalten erarbeitet die Forschungsgruppe der Univ. Bern erarbeitet nun auch ein entsprechendes Modell für Adler.